Mayer, Gesa: „Ich möchte ein Leben führen in großer Ehrlichkeit“ – Konsensuelle Nichtmonogamie und Subjektivierung

In ihrer Dissertation erforscht die Soziologin Gesa Mayer Subjektivierungen im Kontext von konsensueller Nichtmonogamie und Mononormativität. Hierfür analysiert sie narrative Interviews mit Menschen, die in polyamoren und offenen Beziehungen leben. Den theoretischen Hintergrund bilden die Diskurs-, Macht- und Subjektivierungstheorie Michel Foucaults in Kombination mit ergänzenden Bausteinen poststrukturalistischen Denkens. Die Studie geht nach der Grounded Theory Methodologie vor. Mittels einer Interpretativen Subjektivierungsanalyse arbeitet die Autorin diskursive Subjektpositionen sowie Selbstpositionierungen heraus. Teil eins und zwei der Analyse zeigen zwei unterschiedliche Positionierungen zu der Frage, wie das Subjekt zur Nichtmonogamie kommt (oder die Nichtmonogamie zum Subjekt): erstens Verortungen in einer Subjektposition der Identität und zweitens Erzählungen des Werdens. Erstere konstruieren Nichtmonogamie als biographische Konstante und Ausdruck einer inneren Wahrheit des Subjekts. Zweitere dagegen deuten Nichtmonogamie als unerwartetes Ereignis und nichtmonogame Subjektivierung als diskontinuierlichen Prozess, der mitunter einige Arbeit am Selbst erfordere. Der dritte und vierte Analyseteil untersuchen konsensuelle Nichtmonogamie als Moralcode und Ethik. Der Moralcode stellt hohe Anforderungen an Transparenz und Einvernehmen. Damit reizt er Positionierungen als Subjekt an, dessen Integrität sich an (seinem Bemühen um) Ehrlichkeit bemisst. Gleichzeitig unterlaufen hierarchische Subjektpositionen, strukturelle Ungleichheit und beziehungsinterne Machtverhältnisse das Ideal gleichberechtigter Aushandlung. Konstruktionen konsensueller Nichtmonogamie als Praxis der Freiheit und Existenzkunst erlauben es ihren Subjekten, sich als tugendhaft und nicht-normativ zu positionieren. Als Technologie des Selbst soll Polyamorie es ermöglichen, die eigene Subjektivität zugunsten der Erlangung von (noch) mehr Selbst- und Beziehungsführungskompetenz zu modifizieren. Das Fazit diskutiert die Analyseergebnisse in Relation zur Subjektivierungstheorie Foucaults und zu soziologischen Gegenwartsdiagnosen wie jener einer Hegemonie des singularistischen Lebensstils. Ausblickend werden einige Fragen und Perspektiven für weitergehende Forschungen skizziert.

Die Arbeit ist hier im Open Access zugänglich: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/10681

Raab, Michel: Bitte nicht verzweifeln – Lebensformenpolitik zwischen Technokratie und Voluntarismus

Der Text denkt einen Dialog mit der 2019 leider verstorbenen Genossin Felicita Reuschling weiter. Am Beispiel zweier überlieferter Bilder – dem Narkomfin-Kommunehaus aus der frühen Sowjetunion und dem bekannten Nacktbild der Kommune 1 – geht es um die konkreten Utopien vergangener, teils voluntaristischer, teils technokratischer Entwürfe kollektiver Lebensformen. Und darum, was dieses Erbe linker Bewegungsgeschichte heute bedeuten kann.

Eine Vorab-Version des Textes findet ihr hier.

Der Text ist erschienen in dem sehr schönen Sammelband Kitchen Politics (Hg.), Die Neuordnung der Küchen. Materialistisch-feministische Entwürfe eines besseren Zusammenlebens. Münster (Assemblage) 2023, S. 117–138. Inhaltsverzeichnis und Leseprobe gibt es auf der Webseite des Verlags, bezogen werden kann das Buch für 9,80€ beim verlagsnahen Versand Roots of Compassion.

Andrea Newerla: Das Ende des Romantikdiktats. Warum wir Nähe, Beziehungen und Liebe neu denken sollten.

Zusammenfassung: Unsere Beziehungen funktionieren häufig nicht mehr: Die Zahl der Single-Haushalte steigt, die Kleinfamilie zerfällt und während uns Hollywood den Glanz der ganz großen Liebe ins Wohnzimmer strahlt, suchen wir mit Dating-Apps, polyamoren oder offenen Beziehungen den neuen Goldstandard für Nähe und Verbindlichkeit. Doch liegt darin wirklich die Erfüllung unserer intimsten Sehnsüchte? Steckt dahinter nicht ein Prinzip, das sich in Zeiten des ökonomisierten Dating-Marktes selbst überholt hat? Soziologin Andrea Newerla blickt hinter die Glücksversprechen unserer Zeit, zeigt, was wir eigentlich suchen und warum unsere Beziehungskonzepte nicht wirklich so alternativlos sind, wie sie uns immer scheinen.

Webseite zum Buch beim Verlag

Raab, Michael: (Poly-)Parenthood between project logic and gender identity. In: Sexualities

Abstract: Romantic love unites a man and woman as a couple. The birth of a child confirms the righteousness of this union and prolongs it into eternity – so the myth goes. Simultaneously, the demand for a well-planed and economically optimized parenthood is increasing. How do (potential) non-monogamous parents deal with these multiple demands? Based on an intersectional multi-level-analysis of 13 interviews, the article describes three gender-specific modes of subjectivation: A strong self-identification with the ideal of the autonomous subject, deconstructing fatherhood while reproducing motherhood and poly-parenthood as a project of social planning. The article shows which narratives of personal development occur empirically in relation to relationship management and parenthood, and how these narratives are either reconciled or weighed against each other. It becomes clear that the idea of polyamory as a means for personal development is widespread and is partly accompanied by an ideal of individual independence of an autonomous subject which does not go well with parenthood. Deconstructing fatherhood while reproducing motherhood turns out to systematically reinforce traditional gendered modes of subjectivation. It also became evident that there is an underlying idea of community development in which children become a part of a comprehensive project of joint self-improvement.

https://doi.org/10.1177/13634607211056880

Gesa Mayer: Artikel ‚Polyamorie‘ im Handbuch Feministische Perspektiven auf Elternschaft

Abstract: Polyamor lebende Eltern führen im gegenseitigen Einvernehmen romantisch-sexuelle Beziehungen mit mehreren Partner*innen. Wie genau sie Elternschaft gestalten, ist noch wenig erforscht. Der Beitrag gibt einen Überblick über Formen, Vorzüge und Probleme konsensuell nichtmonogamer Elternschaften. Aus feministischer Perspektive diskutiert er die Ausrichtung von Mutterschaft an Monogamie-Norm und romantischer Liebe, die Persistenz geschlechtlicher Arbeitsteilung, (De-)Konstruktionen biologischer und sozialer Elternschaft sowie den Einfluss intersektionaler Machtverhältnisse auf die Sicht- und Realisierbarkeit von Polyelternschaften.

Mayer, Gesa (2021). Polyamorie. In Lisa Yashodhara Haller & Alicia Schlender (Hrsg.). Handbuch Feministische Perspektiven auf Elternschaft. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, S. 569–579

Andrea*s Exner: Von der Einhegung der Liebe zur Polyamorie?

Wenn wir über Schenken, Teilen und Beitragen nachdenken, betrifft das nicht nur den Bereich der heute so genannten Produktion, die Betriebe. Es betrifft auch den davon als getrennt wahrgenommenen und organisierten Haushalt. Historisch betrachtet ist der Haushalt in der heute vorherrschenden Idee und Form eine Besonderheit. Sie ergibt sich aus der versuchten Fusion von Wirtschaftsgemeinschaft, Liebe und Sexualität. Diese Besonderheit ist im Zuge der Durchsetzung von Privateigentum, Marktwirtschaft und Kapital entstanden. Sie prägt die Gefühle der Menschen tief.

Exner, Andrea*s (2014) : Von der Einhegung der Liebe zur Polyamorie? Erste theoretische Erkundungen in einem wenig bekannten Terrain. Streifzüge 60 (2014), Volltext auf streifzüge.org

Michel Raab: Wer kümmert sich in der Poly-Familie? Und wieso ist das wichtig?

Als ich die Ergebnisse meiner Studie zu „Care in konsensuell-nichtmonogamen Beziehungsnetzwerken“ – etwas einfacher gesagt: „Wie kümmern sich Menschen, die polyamor oder anderweitig nichtmonogam leben, umeinander?“ – im Dezember 2019 auf der Tagung „Wurzeln – Bande – Flügel. Familie als Ort der Sozialisation, Kontrolle und Emanzipation“ in der Akademie Waldschlösschen vorgestellt habe, wurde in der anschließenden Diskussion kritisiert, dass ich die Sorge ins Zentrum meiner Untersuchung gestellt habe und sehr wenig über Sex sagen konnte. Der Einwurf traf mich zum ersten Mal: Im akademischen und queer-feministischen Rahmen wurde meine Schwerpunktsetzung in der Regel geteilt, niemals kritisiert. Dass gerade im Waldschlösschen die lieb gewonnene Selbstverständlichkeit „Care ist wichtiger als Sex“ hinterfragt wird, ist vielleicht kein Wunder: Die Schwulenbewegung musste lange darum kämpfen, dass (schwuler) Sex als nicht-verwerflich anerkannt wurde, insofern ist ein spontanes Misstrauen gegenüber Beziehungsdiskursen, die Sexualität scheinbar ausblenden, verständlich. Deshalb will ich im Folgenden (1) explizit begründen, wieso ich Sorge für mindestens genauso wichtig wie Sexualität halte. Im danach werde ich kurz auf die Rolle von Schwulen und Lesben als Pionier*innen konsensuell-nichtmonogamer Lebensweisen eingehen (2), bevor ich zum Schluss (3) zeige, dass es gerade verbindliche Sorgeverhältnisse sind, die den Beteiligten eine partielle Emanzipation von herrschenden Klassen- und Geschlechterverhältnissen ermöglichen.

Raab 2021 – Wer kümmert sich in der Poly-Familie

Raab, Michel (2021). Wer kümmert sich in der Poly-Familie? in: Baglikow, Stephan & Trau, Kim Alexandra (Hg.). Wurzeln — Bande — Flügel. Familie als Ort der Sozialisation, Kontrolle und Emanzipation. Berlin (Salzgeber), S. 90-109

Michael Raab: Spülen zu dritt

„Aus der Aussage »Ich liebe Dich« lässt sich nicht schlussfolgern, wer den Abwasch erledigt. Aus Statistiken schon: Nach einer Zeitverwendungsstudie des Statistischen Bundesamtes (2015) kümmern sich Frauen durchschnittlich fast 27 Stunden pro Woche um Haushalt und Familie, zehn Stunden mehr als Männer. Weitere Geschlechter wurden nicht erfasst, wie auch die Zahlen keine Rückschlüsse über Unterschiede der Aufgabenteilung in verschiedenen Beziehungsformen erlauben. Wie sieht es also aus mit der Care (Sorge), wenn drei oder mehr Menschen einvernehmlich-nichtmonogam zusammenleben? Bedeutet »Liebe zu dritt« auch »Spülen zu dritt«? Oder räumen die beteiligten Frauen einfach mehreren Männern hinterher? Für meine 2019 erschienene Studie »Care in konsensuell-nichtmonogamen Beziehungsnetzwerken« habe in nichtmonogame Sorgearrangements analyisert. Der folgende Text fasst einige zentrale Ergebnisse zusammen. Vorab lässt sich festhalten: Auch in (hetero- und bisexuellen) Poly-Kontexten kümmern sich Frauen stärker um den Haushalt als Männer – trotz einem weit verbreiteten Anspruch auf Geschlechtergerechtigkeit, der aber in unterschiedlichem Maße erfüllt werden kann…“

Der Text aus dem Sammelband Polyfantastisch fasst die wichtigsten Ergebnisse meiner Doktorarbeit zugänglich zusammen.

Raab, Michel. Spülen zu dritt. In: Raab, Michel; Schadler, Cornelia. Polyfantastisch. Nichtmonogamie als emanzipatorische Praxis. Münster (Unrast) 2020, S. 151-161

Schadler, Cornelia: Ever more parents in polyamorous families: A new materialist typology of parenting practices and division of work. In: Sexualities

Open Access unter: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/13634607211037481

Abstract

An analysis of parents that are a part of polyamorous networks—networks of three, four, or even more residential or highly available parents—shows three types of parenting practices: poly-nuclear, hierarchical, and egalitarian parenting. Especially, the hierarchical and egalitarian parenting practices show novel divisions of care work and a transgression of gender norms. However, in-depth new materialist analysis of qualitative interviews also shows how parents are, in specific situations, pushed toward standard family models and thus unintentionally maintain traditional family structures and gender roles.

Christian Klesse: On the Government of Bisexual Bodies. Asylum Case Law and the Biopolitics of Bisexual Erasure

Klesse, C. (2021) ‘On the Government of Bisexual Bodies. Asylum Case Law and the Biopolitics of Bisexual Erasure’, in R.C.M. Mole (ed.) Queer Migration and Asylum in Europe. London: UCL Press: 109-131.

Der Artikel hinterfragt dominante gesellschaftliche Deutungsweisen von ‚Bisexualität‘, die einen Rechtsverlust durch Unsichtbarkeit und Zweifel von Menschen mit nicht-binären Identitäten und Lebensweisen im internationalen Asylrecht verursachen.

Schlüsselwörter: Bisexualität(en), Asylrecht, Unischtbarkeit, sexuelle Orientierung, Biphobie

Volltext beim Verlag

Christian Klesse: Bifeminist Antimonogamy and the Politics of Erotic Autonomy

Klesse, C. (2021) ‘Bifeminist Antimonogamy and the Politics of Erotic Autonomy’, in R. Baumgartner and E. Maliepaard (eds.) Bisexuality in Europe: Sexual Citizenship, Romantic Relationships, and Bi+ Identities. London: Routledge: 67-82.

Der Artikel rekonstruiert die Geschichte der Monogamiekririk in bisexuellen Feminismen.

Schlüsselwörter: Bisexualität(en), konsensuelle Nichtmonogamie, Feminismus, erotische Autonomie

Volltext bei Open Access Publishing

Michael Raab: Elterliche Care-Arrangements in konsensuell-nichtmonogamen Beziehungsnetzwerken

Raab, Michael. Elterliche Care-Arrangements in konsensuell-nichtmonogamen Beziehungsnetzwerken. In: Peukert, Almut; Teschlade, Julia; Wimbauer, Christine; Motakef, Mona; Holzleithner, Elisabeth (Hrsg.). GENDER-Sonderheft 5. Elternschaft und Familie jenseits von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit. Opladen (Budrich), S. 156-171

Zusammenfassung: Der Artikel stellt auf der Basis von sieben Interviews aus einem Gesamtsample von 13 Interviews einer qualitativen Studie elterliche Sorge in konsensuell-nichtmonogamen Be-ziehungsnetzwerken dar und fragt, ob die offen gelebte Nichtmonogamie mit Veränderungen in elterlichen Care-Arrangements einhergeht. Er unterscheidet eine Lebensführung mit paarweiser Elternschaft und eine kollektive Elternschaft von mehr als zwei Erwachsenen. Beide Varianten gehen mit un-terschiedlichen Anforderungen einher: Konsensuell-nichtmonogam lebende Elternpaare können auf vielfältige Unterstützung aus ihren Beziehungsnetzwerken zurückgreifen, was von allen Beteiligten positiv bewertet wird. Eltern bleiben dabei ein enger Kern mit Unterstützer_innen, die keine expansiven Rollen einnehmen. Hegemonialen Normen entsprechend übernehmen Mütter mehr Sorgeverantwortung. Kollektive Mehreltern-Konstellationen hingegen können ihre Praxen nicht aus der Selbstverständlichkeit soziokultureller Wissensbestände heraus begründen und sind dazu gezwungen, ihre familiären Bande in unpassende rechtliche Konzepte zu übersetzen. Dadurch entstehen, was auch an mangelnden Rechtsansprüchen der weiteren Bezugspersonen liegt, Dynamiken, die dazu beitragen, dass auch hier die Mütter die Hauptlast der Erziehung tragen.

Schlüsselwörter: Beziehungsnetzwerke, Care, Elternschaft, Geschlechtliche Aufgabenteilung, Konsensuelle Nichtmonogamie, Patchwork-Familien, Polyamory

PDF (Open Access) beim Verlag

Gesa Mayer: „… auch wenn da jetzt nich‘ ihre Gene drinstecken.“ Zur Bedeutung biologischer und sozialer Elternschaft in polyamorer Familienplanung

in: GENDER – Sonderheft 5 | Elternschaft und Familie jenseits von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit, S. 28-43

Zusammenfassung:  Der Beitrag befasst sich mit subjektiven Bedeutungszuschreibungen an biologisches und/oder soziales Elternwerden. Die diskurstheoretische Analyse qualitativer Interviews mit zwölf Menschen, die erwägen, in heterosexuellen polyamoren Partnerschaften Eltern bzw. Bezugspersonen für Kinder zu werden,
arbeitet zwei Positionen heraus: Familienvisionen, die biologisch-genetische Reproduktion als essentiell für die Ausübung von Elternschaft ansehen, enthalten tendenziell zwei (primäre) Eltern. Interviewte, für die soziale Bindung und Verantwortung nicht in leiblicher Abstammung fußen müssen, sind offener für Familienmodelle mit mehr als zwei Elternteilen. Doch ringen auch diese mit gegenderten Konstrukten einer Überlegenheit biologischer Verwandtschaft, die in Spannung zu polyamoren  Beziehungskonzepten stehen. In den Interviews aufscheinende Ansätze des kritischen Umgangs mit Normativität beinhalten das Vervielfältigen, Verneinen, Kontextualisieren und Resignifizieren von Elternschaft. “… even if they haven’t put their genes in there.” On the meaning of biological and social parenthood in polyamorous family planning.

Schlüsselwörter: Biologische Eltern, Mononormativität, Konsensuelle Nichtmonogamie, Polyamore Elternschaft, Polyamore Familienplanung, Polyamorie, Soziale Eltern

Michel Raab & Cornelia Schadler: Polyfantastisch? Nichtmonogamie als emanzipatorische Praxis

»Wann wird ›She loves you‹ nicht mehr ganz selbstverständlich als ›Sie liebt Dich‹ übersetzt, sondern endlich mal mit ›Sie* liebt euch, yeah, yeah, yeah‹?«

»Bedeutet ›Liebe zu dritt‹ auch ›Spülen zu dritt‹? Oder räumen die beteiligten Frauen einfach mehreren Männern hinterher?«

›Polyamory‹ ist mittlerweile in aller Munde, weil sie eine Befreiung aus traditionellen und einengenden Beziehungs- und Familienformen verspricht. Doch nicht nur individuell, auch gesellschaftlich bilden Liebesbeziehungen und Familien zentrale Lebensbereiche. Hier werden soziale Normen und gesellschaftliche Strukturen aufgegriffen und mehr oder weniger eigensinnig modifiziert. Daher ist Beziehungsführung ein hochpolitisches Thema. Dahinter steht die Frage: Kann eine Veränderung von Liebesverhältnissen den Menschen befreien?

Der breitgefächerte Sammelband lotet unterschiedlichste Möglichkeiten der Emanzipation und Subversion in der Beziehungsführung aus.

Münster (Unrast) 2020
ISBN 978-3-89771-282-9
16,00€, 224 Seiten
zur Webseite beim Verlag
Inhaltsverzeichnis

Rezensionen

Doreen Kruppa: „Diese Intensität mit der ich Freudschaften nachgegangen bin, da ist dann vielleicht auch mein Fokus oder mein Grundinteresse.“ – Freundschaftszentrierte Lebensweisen als Alternative zu heteronormativen Beziehungswelten

Im Sommer 2019 ist ein Beitrag von mir zu den Ergebnissen meiner Forschung zu freundschaftszentrierten Lebensweisen in der Krake erschienen.
Die Krake ist ein feministisches Untergrund MagaZINE zu alternativen Beziehungsformen, das seit 2006 einmal im Jahr erscheint. Sie befasst sich mit allem, was beziehungstechnisch aus dem Rahmen fällt – z.B. glückliche Singles, Kuschelmonster, Polyamante, KomunardInnen und leidenschaftliche WG-Be­wohnende, FreundInnen-Netze und Aromantiker*Innen, etc., wobei sie viel Wert darauf legt, dass der Humor nicht zu kurz kommt.
Die aktuelle Ausgabe hat einen Freundinnen-Schwerpunkt hat, und ebenso die Nr. 7, die weiterhin erhältlich ist. Mehr zur Krake erfahrt ihr hier: http://krakententakel.de
Zu meinem Beitrag kommt ihr über diesen Link

Raab, Michael: Care in konsensuell-nichtmonogamen Beziehungsnetzwerken. Sorgende Netze jenseits der Norm.

Polyamorie und andere nichtmonogame Beziehungen werden zunehmend sichtbar. Oft werden sie als selbstbestimmtere und geschlechtergerechtere Alternative zu konventioneller Ehe und Familie gesehen. Die marxistisch, feministisch und intersektional fundierte qualitative Studie zeigt, was diese Beziehungsnetzwerke auszeichnet. Gelingt es im Bereich der Sorge (Care), die selbst gesteckten emanzipatorischen Ansprüche umzusetzen?
Opladen 2019, 256 S., 33,00€.

Die Studie ist in den Jahren 2016-2019 im Rahmen einer Dissertation an der Arbeitsgruppe Arbeit-Gender-Technik an der Technischen Universität Hamburg entstanden und wurde ermöglicht durch ein Promotionsstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Seit 2021 ist das Buch Open Access, Download (3,6MB PDF) hier.

Rezensionen

Wie leben? Beziehungsweisen zwischen Revolution & Retraditio­na­lisierung

Die Broschüre ist 2018 beim Bildungskollektiv Biko erschienen und ist leider vergriffen.

Inhalt

  • Vorwort
  • Sarah Speck: Beziehungsweisen und Gesellschaft
  • Frank Lipschik: Familien- und Beziehungsvorstellungen im Rechtspopulismus
  • Doreen Kruppa: Freundschaftszentrierte Lebensweisen: Eine Alternative zu heteronormativen Beziehungswelten?!
  • Michel Raab: Poly leben? Poly kümmern!

Download (1,8MiB PDF)

Michael Raab: Care in Consensually Non- Monogamous Relationship Networks: Aspirations and Practices in a Contradictory Field

Der Beitrag ist für die 1. NMCI-Konferenz 2015 in Lissabon entstanden und 2018 im Graduate Journal of Social Science erschienen.

PDF-Download (600kb) beim GJSS

Ich stelle darin Zwischenergebnisse meiner Dissertation vor, in denen sich abzeichnet, dass emanzipatorische Ansprüche sich am besten umsetzen lassen, wenn sie nicht nur entschieden als geteilte Norm vertreten, sondern auch strukturell untersetzt werden, z.B. durch gemeinsame Haushaltsführung oder verbindliche Kommunikationsformen. Zudem stellt der Artikel die genutzte Methodik – eine Trinangulation von Intersektionalen Mehrebenenanalyse (externer Link) und Netzwerkanalyse – dar.

ABSTRACT: The paper discusses the question whether currently emerging, new forms of non-monogamous intimate relationships generate new class and gender relations. „Michael Raab: Care in Consensually Non- Monogamous Relationship Networks: Aspirations and Practices in a Contradictory Field“ weiterlesen

Michael Raab: Kämpfe um Lebensformen und Ressourcen im Feld der konsensuellen Nichtmonogamie

Der Beitrag ist 2016 für einen Sammelband anlässlich des 60. Geburtstags von Gabriele Winker entstanden. Ich diskutiere darin Kämpfe um nichtmonogame Lebensformen in den Begriffen und Konzepten des Intersektionalen Mehrebenenansatz (Winker 2012) und plädiere auf dieser Grundlage dafür, Lebensformenpolitiken — die sich derzeit vor allem um legitime Identitäten, Diskurse, Normen und Gesetze drehen — stärker auch auf materielle Ressourcen zu beziehen.

Raab, Michael. Kämpfe um Lebensformen und Ressourcen im Feld der konsensuellen Nichtmonogamie. In: Carstensen, Tanja; Groß, Melanie; Schrader, Kathrin. care|sex|net|work. Feministische Kämpfe und Kritiken der Gegenwart. Münster (Unrast), S. 41-49. Download 600kb PDF